Samstag, 21. Dezember 2013

(Meiner Meinung nach) Die 10 Besten Alben 2013 Teil I

Prolog...

Wow, was war das für ein aufregendes Jahr in der Musikwelt.

Kunst als Event, Musik als Event, die Vermarktung manchmal wichtiger als der Inhalt. Das könnte man denken und sagen würde man es zu kritisch sehen wollen. Doch ich fand es eher interessant wie viel Aufmerksamkeit manche Veröffentlichungen dieses Jahr generieren konnten. David Bowie trat seine triumphale Rückkehr an und das ganz ohne große Marketing Kampagne. Einfach ein neues Lied ohne jedwede Ankündigung auf die eigene Homepage hochgeladen und das neue Album "The Next Day" ging automatisch in 40 Ländern durch die Decke. Das Rezept hieß Reduktion, man muss sich einfach nur rar genug machen, lasst doch die Medien das Marketing übernehmen. Das Album war dann doch eher OK und vielmehr ein nostalgischer Aufguss Bowies "Berlin Trilogie", was aber nicht heißt das es wirklich schlecht war.
Ähnlich verlief es auch mit dem neuen Daft Punk Album "Random Access Memories". Am Anfang gab es nur einen kleinen Soundschnipsel, von "Get Lucky", mitgefilmte Videos von einem Clip der während des Coachella Festivals lief. Das reichte auch schon um das Internet in einen unglaublichen Hype-Zustand zu versetzen. Gastmusiker wie Pharell Williams und Giogoro Moroder gaben dem ganzen den Rest. Auch wenn das Album dann nicht wirklich so revolutionär war wie erwartet, vielmehr ein gutes Stück 70er Jahre, retro Disco Musik. Trotzdem wird es wohl in so einigen Jahreslisten landen und "Get Lucky" war wohl auch der unangefochtene Sommerhit, ein "instant classic". Unangefochtener Höhepunkt der marketing Kampagne war aber der Chameo Auftritt der beiden (oder ihrer Doubles) beim Formel 1 Rennen in Monte Carlo. 
Selbst im totgeglaubten Hip Hop ging es hoch her. So veröffentlichte Kanye West, seines Zeichens Egomane vom Dienst (oder doch der größte  missverstandene Künstler unserer Zeit?) sein neues Album "Yeezus" mit Tracks wie "I Am A God". Klotzen statt kleckern war das Motto, auf dem wahrscheinlich wütendstem, innovativsten Album des Jahres. Ganz anders bei den "alten Hasen" Jay-Z und Eminem, die eher auf bewährtes Vertrauten, aber am Ende des Jahres doch weit über Kanye West stehen werden, zumindest was die Verkaufszahlen angeht. Kendrick Lamar, der Shooting Star und wohl eines der größten Talente des Hip Hops, schaffte es mit "Good kid, m.A.A.d city" sogar alle Erwartungen noch zu übertreffen, indem er all das Gedöns einfach wegließ. Seine Tracks erzählen eine Story und darum sollte es ja schließlich gehen.
Ganz andere Wege schlugen Arcade Fire ein, sowohl marketingtechnisch als auch musikalisch. Eine Disco Platte?! Produziert von DFA Genie James Murphy? Konnte das gut gehen? Die erste Single wurde durch Projektionen und Plakate geschickt in allen größeren Städten angeteast. Guerilla Marketing at it's best. Als "Reflektor" dann wie angekündigt am 9.9. um exakt 9 Uhr Abends erschien, waren viele überrascht. Doch Arcade Fire gelang mit ihrem Album das was nur wenigen gelingt, sich neu zu erfinden ohne den eigentlichen Charakter der Band zu verlieren.

Abseits von alle dem soll es hier eigentlich um meine persönlichen Lieblingsalben aus diesem ereignisreichen Jahr gehen, was gar nicht so einfach ist, da wirklich so viel rauskam was mich wirklich begeisterte. Hier geht es rein um die Alben, die mir persönlich am Meisten Spaß gemacht haben, künstlerischer Anspruch spielt so gut wie keine Rolle.

 PS: Die Babyshambles sind wegen akutem "fanboyism" außen vorgelassen, denn Pete Doherty kann nur geniale Musik machen"

Platz 10: Arctic Monkeys - "AM"

Erschienen am 6. September 2013

Tja was soll man über die Arctic Monkeys noch sagen?! Sie sind ganz oben angekommen! Angefangen als ein Internet Hype, eine "Myspace" (Gibt es das überhaupt noch?) Band im Jahr 2003, haben sich die Jungs aus Sheffield mittlerweile ganz nach oben gespielt. Als eine der wenigen Bands der 2005er Indie Rock Welle sind die Arctic Monkeys immer noch relevant. Auf "AM" klingen sie manchmal fast soulig und viel amerikanischer, ohne das abwertend zu meinen. Songs wie "Why'd You Only Call Me When You're High?" haben einfach einen unglaublichen groove, gleichzeitig gibt es aber auch noch richtige Rockbretter wie "Arabella" das sich stellenweise fast anhört wie Black Sabbat oder das famose "R U Mine". Vor allem drückt  die markante Percussion Produktion dem Album seinen ganz besonderen Stempel auf, sodass die Beats eher in Richtung Hip Hop grooven. Selbst "King Of The Stone Age" Josh Homme gibt sich im grandiosen "Knee Socks" die Ehre. Manchmal grenzt es gar an "beatelesker" Genialität, wie im ruhigen "Nr. 1. Party Anthem", dass mich irgendwie ziemlich an "Let It Be" erinnert und das kann ja schließlich nicht das schlechteste sein.


Platz 9: Frightened Rabbit - "Pedestrian Verse"

Erschienen am 4. Februar 2013
Frightened Rabbit, eine Band die es jetzt selbst mit großem Major im Rücken immer noch nicht ganz in die Stadien geschafft hat. Vielleicht liegt es am generell düsteren Einschlag der hemdsärmligen Schotten und an an dem hat sich so gar nichts verändert. Wollten sie auf dem Debüt noch die Jugend überspringen ("Skip The Youth") sind sie jetzt ganz im großen Leid des Lebens angekommen. Es geht weiterhin um , Liebe Sehnsucht, Krankheit, Tod und Verderben, um so ziemlich alles was einen als Mensch alles unglücklich machen kann. Das hört sich jetzt schlimmer an als es eigentlich ist, freilich: "There is light but/there's a tunnel to crawl through/There is love but it's misery loves you" wie es im unglaublich schönen "The Oil Slick" heißt. Alles hat seine zwei Seiten. "Pedestrian Verse" ist eigentlich die perfekte Platte für den Winter, denn egal wie kalt es einem um das winterliche Herz ist, die Songs von Frightened Rabbit sind so aufrichtig, dass es einem schon ganz warm wird. Spätestens beim dick auftragenden "The Woodpile", wenn es heißt:  "Come find me now, we'll hideout / We'll speak in our secret tongues / Will you come back to my corner? / Spent too long alone tonight" Die Platte erzählt einfach schöne, dunkelgraue Mutmacher-Geschichten, die auch immer einen Funken trunkene Herzlichkeit versprühen.


Platz 8: Young Chinese Dogs - "Farewell To Fate"

Erschienen am 11. Oktober 2013
Nach dem durch Mumford & Sons ausgelöstem Folk Revival sprossen auf einmal überall diese Bands aus dem Boden, die eine Art neuen popigeren Folk spielten. Du hast ein Banjo? Perfekt! Ein bisschen Gepfeife? Check! Ein paar Ohhhs und Ahhhhs? Noch Besser! Jetzt fehlt dir nur noch eine Sängerin und du bist auf dem besten Weg Richtung Erfolg. The Lumineers, Of Monsters And Men und Edward Sharp & The Magnetic Zeros haben es ja schließlich vorgemacht. Man könnte Young Chinese Dogs leicht als Deutsche Antwort auf eben jene Bands abtun. Aber irgendwie haben sie was besonderes, dass sie von der breiten Masse abhebt. Vielleicht ist es die markante Stimme der Sängerin oder die aufgezwungene Selbstreduktion, nur Instrumente zu spielen, die man selbst tragen kann. "Farewell To Fate" ist in jedem Fall eine schön beschwingte Herbstplatte. Genre Grenzen werden geschickt übergangen; Zwischen akustischem Folk und Rock ist alles erlaubt. Textlich mag das manchmal vielleicht ein bisschen banal wirken, aber es gibt auch lichte Momente wie das düstere "This Town Is Killing Me", schöner wurde herbstliche Großstadt Melancholie wohl nie geschildert. Spätestens wenn beim Überhit des Albums, "Sweet Little Lies" alles zusammenkommt passt einfach alles: Die akustische Gitarre, die Stimme der bezaubernden Sängerin, die Handclaps und der eingängige Refrain. Manchmal kann es doch so einfach sein... Danke Nachbi für den Tipp! 


Platz 7: Watsky - "Cardboard Castles"

Erschienen am 12. März 2013
Rap und Pop kann man das zusammenführen? Braucht man dafür eine lächerliche Pandamaske? George Watsky auf jeden Fall nicht, aber der kann auch Texte schreiben und was für welche! "Cardboard Castles" war für mich eine der Überraschungen des Jahres; Das erste Mal als ich "Sloppy Seconds" hörte, dachte ich noch was soll das? Die markante Piano Linie, die unaufdringliche E-Gitarre und dann ein Watsky zwischen doubletime Rap Passagen und Singen. Vielleicht hat es mit Watskys "Poetry Slam" Vergangenheit zu tun, dass er so wenig auf irgendwelche Genrevorgaben gibt. Die passenden Geschichten hat er auf jeden Fall. Eine Parole wie "Kill A Hipster" würde sich in jedem Stadtteil Berlins, dass akut von Gentrifizierung bedroht ist, wohl sehr gut machen. Da wird sarkastisch kombiniert: "Kill a Hipster/safe your hood". Doch das war es dann auch schon, ein kleines "asshole" im grandiosen Kate Nash Feature "Hey Asshole" bleibt schon der Höhepunkt, seiner Wortattacken. Das Album macht einfach Spaß selbst nach dem 20 Mal hören. "Hey asshole / See the sun is shining/ But you are not smiling?"Heute wohl noch kein Watsky gehört?


Platz 6: OK KID - "OK KID"

Erschienen am 5. April 2013
Eine Band, die sich nach den zwei besten Radiohead Alben aller Zeiten benennt setzt die Erwartungshaltung schon Mal hoch (Ja das stimmt! Der Bandname entstand als sie über ihre Lieblingsalben diskutierten, zwei Alben waren bei allen Bandenmitgliedern vertreten. OK Computer und Kid A. Daher der Bandname, hab sie selbst gefragt in Bayreuth). Mitunter könnte man bei der Band aus Gießen eine Rockband vermuten, so im Intro der ultimativen Hymne auf die eigene Heimatstadt und jede "Stadt Ohne Meer". Zu der Man wohl irgendwann ein ähnlich ambivalentes Verhältnis entwickelt, wie in dem Song beschrieben. Das ganze Album bietet einfach unglaublich viel Variabilität, all die Beats sind so abwechslungsreich gestaltet, es wird gesungen, gerappt und an rockig rotzigen Beats bis zu poppigen Hymnen gebastelt. Textlich bewegt sich OK KID zwischen den Problemen der "Generation Maybe" wie in "Mehr, Mehr Mehr", der verzehrenden, unerwiderten Liebe in "Verschwende Mich" und nur um schließlich die unheimliche Veränderlichkeit des Lebens in knapp vier Minuten in "Allein, zu zweit, zu dritt..." perfekt darzustellen. Es gilt wohl weiterhin großes zu erwarten von der Hip Hop/Pop/Avantgarde/Rock- Gruppe aus Gießen.
Auf dem Southside waren vielleicht 400 Leute bei OK KID, während gleichzeitig Macklemore sein Gelaber vor unverschämt großem Publikum präsentierte. Eigentlich schade, aber wir sind ja Gott seid Dank noch nicht am Ende mit OK KID: "Denn Am Ende wird alles wieder gut/und solange es uns nicht gut geht/können wir das Ende nicht sehen". Hoffen wir das Mal...



Fortsetzung folgt...

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Scientology, Freimaurer und natürlich FRANKEN in Philadelphia! Wochenend Seminar: The Movie

Der "Fensterplatz"
Zum "Jetsetleben"eines jeden ASF Freiwilligen gehören, neben der guten Betreuung auch die Länderseminare (Von denen man insgesamt mit den Orientierungstagen und dem Abschlusseminar  vier hat). Unser Seminar fand am zweiten Dezember Wochenende in Philadelphia statt. Für uns "midwest" Leute bedeutete das, dass wir nach Philly fliegen durften. Eigentlich fand ich es schade, dass das Seminar auf diesen Zeitpunkt gelegt wurde, denn einen Tag zuvor hatten wir von Earth Day noch unser großes "Benefit" (Das vielleicht auch noch einen eigenen Eintrag spendiert bekommt). So war ich leider zum aufräumen am nächsten Tag nicht da. Weil ich mim Lukas schon relativ früh zum Flughafen musste, um unseren Flug nach Philadelphia anzutreten.

Am Flughafen gab es dann gleich das erste Highlight! Das erste Mal "Naktscanner"! Was für ein großartiges Erlebnis, tat nicht mal weh. Nur ein bisschen meinem immer mehr schwindenden "Big Brother Gewissen". Die erste herbe Enttäuschung wartete dann gleich im Flugzeug auf uns. Wir hatten uns so sehr auf einen Fensterplatz gefreut. Also, ich mich für Lukas, weil er die Ehre des Fensterplatzes hatte. Die herbe Enttäuschung, es gab keinen Fensterplatz! Wie man auf dem Bild oben erkennen kann.  Als wir in Philadelphia landeten wuchs in mir so langsam die Vorfreude. Ich hatte richtig Lust die anderen Freiwilligen wieder zu treffen und von ihren Erfahrungen in ihren Projekten zu hören.
Außerdem ging es zurück nach Chamounix in das herrlich skurrile Hostel, in dem vor fast schon vier Monaten unser Jahr begann.

Das Thema unseres Seminar war grob gesagt Identität und somit auch Familienbiographie, die ja doch auch einen Teil der eigenen Identität ausmacht. Das Aufeinandertreffen mit den Chicago Freiwilligen war dann gleich richtig schön; Wendy's und Cheeseburger. Wir hatten sogar wieder dasselbe Zimmer in Chamounix und dasselbe Abendessen, Chris Pizza und Cola. Das Programm war dieses Mal dann doch ein bisschen straffer als das letzte Mal. Was wohl vor allem daran lag, dass wir ja doch nur ein Wochenende hatten. Also begannen wir gleich am ersten Abend mit ein bisschen Theaterpädagogik mit , Morgan. Ich weiß leider gar nicht mehr genau was wir gemacht haben, aber ich denke es war lustig. "Morgen kommt wieder Morgan?!"... "Was machen wir Morgan?!", die ganze Palette an Wortspeilen fiel uns leider erst am letzten Tag ein. Aber Morgan sah aus wie ein kleinerer Sylvester Stallone, wobei es ungerecht wäre das zu sagen, weil der echte Sylvester Stallone mittlerweile eher aussieht wie ein Experiment für plastische Chirurgen... Ich meine wie der originale Stallone wie Rocky in Rocky eins.

Am nächsten Morgan ging es dann nach einem typischen Bagelfrühstück gleich mit dem Bus nach Downtown Philly, in das Quäker "Friend Center". Dort fand dann in Kleingruppen ein Austausch über unsere bisherigen Erfahrungen statt. Die Gruppen waren richtig schön gemischt (Also verschiedene Projekte) was es um so interessanter machte zu erfahren was den bei den anderen Freiwilligen so passiert ist. Auch wenn wir trotz unterschiedlicher Projekte, doch ähnliche Erfahrungen gemacht haben.  Nach unserem Austausch erklärte uns Mark das Stadtspiel. Wir sollten, wieder durch Philly ziehen und verschiedene Leute zu unterschiedlichen Themen wie etwa: Deutschland, Weihnachten und Identität befragen. Unsere Ergebnisse sollten dann am Samstag Abend unseren Gästen aus dem ASF Freundeskreis in Philadelphia präsentiert werden. War ich das letzte Mal dem Stadtspiel eher skeptisch gegenüber eingestellt, freute ich mich nach dem Erfolg vom letzten Mal richtig drauf.

Amerika steigt mir schon zu Kopf...
Unsere Aufgabe war eigentlich ganz einfach, wir sollten einfach losziehen und Amerikaner befragen, was ihnen als erstes in den Kopf kommt wenn sie an Deutschland denken oder was sie generell über Deutschland denken. Das hört sich jetzt erstmal reichlich unspektakulär an, vor allem weil wir alle ja in den letzten drei Monaten schon genug über das Deutschlandbild der Amerikaner gelernt haben,  wenn man jedoch die richtigen Leute fragt kann man auf ganz interessante Ergebnisse kommen.

Aufgeputscht durch Scientology
Nach so viel "anstrengendem" Programm waren wir alle richtig hungrig. Also mussten wir was zu Essen finden und wo kann man das in Philadelphia besser als im Reading Terminal Market? Einer riesigen Markthalle mit Essen aus aller Welt (Auch wenn ich als stolzer Clevelander sagen muss das der West Side Market in Cleveland schöner ist). Dort gibt es eigentlich wirklich alles, mexikanisches Essen, thailändisches Essen, chinesisches Essen, "authentic Louisiana food", griechisches Essen, natürlich Philly Cheessteak, sogar Leberkaas Semmeln (German meat loaf sandwich) und auch einen Stand der Amish, die dort ihre Waren feil bieten. Gesättigt vom Mittagessen begannen wir mit unserer Aufgabe. Karsten und ich übernahmen den "deutschen" Metzger. Das erste was der Frau an diesem Stand über Deutschland einfiel, neben Sauerkraut und Bier, war der Holocaust. Mittlerweile glaubt sie aber das Deutschland sich verändert hat und es ihr während ihres Urlaubs dort überaus gut gefallen hat. Ihr Freund kommt ja auch aus Deutschland. 

Lilly befragte einen Mann am Stand der Amish, dieser antwortete auf die Frage: "What comes first to your mind when you think about Germany?", die aus der Pistole geschossen "Adolf Hitler". Was ja auch nicht erstaunlich ist, weil das in etwa genau das ist was ich dachte als Antwort zu bekommen, neben "Germany owns Europe". Er sagte uns aber auch das er gerne Mal nach Deutschland gehen würde und das Land besuchen und kennen lernen will aus dem seine Vorfahren ja stammen. Denn  Vorfahren und Abstammung spielen hier für die Identität ja noch eine weitaus größere Rolle. 

Auf unserem Weg zum Markt, am Convention Center vorbei, passierten wir wie das letzte Mal iN Philly, die "Church of Scientology". Da wir bisher noch nie das Vergnügen mit Scientology hatten, beschlossen wir uns dort Mal über das Deutschland Bild von Scientology zu erkundigen. Also nichts wie rein in die gute Stube. Drinnen wurden wir dann von einer Frau mit chronischem Grinsen begrüßt. Auf die Frage woran sie denn denkt wenn sie an Deutschland denkt, kam gleich die kaum einstudierte Antwort:"Did you know that we fought for religious freedom there?" Nein das wussten wir in der Tat nicht! Ich dachte es gingen ihnen, darum als Kirche anerkannt zu werden um Kirchensteuere erhaben zu können. Des weiteren erzählte sie uns von der Scientology Kirche in Hamburg und ob wir wüssten das einige Deutsche Schauspieler Mitglied bei Scientology sind. Nein wussten wir nicht, aber das würde wohl so einige Til Schweiger Filme erklären... Es war schon irgendwie ein bisschen beängstigend, wie diese Frau versuchte uns um den Finger zu wickeln. Ich meine rein vom Programm hört sich das ja toll an! Ein erfolgreicher Science Fiction Autor, der bereits mit vier Jahren Plato las, findet heraus das wir nur einen kleinen Teil unseres eigentlichen intellektuellen Potenzials nutzen und gleichzeitig findet er die Möglichkeit alle menschlichen Problem zu lösen. Irgendwo spielen dann noch Aliens eine Rolle, aber das habe ich glaub ich nicht ganz verstanden. Ich meine wenn George Lukas nach Star Wars auf dieselbe Idee gekommen wäre, gäbe es wahrscheinlich noch viel mehr Anhänger dieser Glaubensrichtung.

Nur einmal bröckelte dann die perfekte Fassade. Als diese Frau uns fragte wo wir denn eigentlich arbeiten. Lars erklärte ihr, dass er mit Menschen mit Behinderungen arbeitete. Man konnte deutlich an ihrer Mimik sehen, dass sie das komisch aufnahm und schnell das Thema zu den über 100 Büchern wechselte, die L. Ron Hubbard ja geschrieben hat. In der Welt von Scientology gibt es eben doch nur perfekte Menschen. Vielleicht fühlten wir uns deswegen ein bisschen fehl am Platz. Wir nahmen dann noch brav Rekrutierungs DVD mit, der erste Schritt in ein neues, besseres Leben. 

Von Scientology ging es dann gleich zur Freimaurerloge, die sich in Philly direkt im Stadtzentrum befindet. Ein wahrlich beeindruckendes Gebäude. Auch wenn wir dort wahrscheinlich das Beste Gespräch führten möchte ich zu meinem persönlichen Highlight springen. In Philly gab es ja auch einen Weihnachtsmarkt, der aussah wie wirklich jeder andere x-beliebige Weihnachtsmarkt, aber eben in Downtown Philly, im Schatten von Hochhäusern, im strömenden Regen. Ein doch recht trauriges Bild, denn die kleinen Holzhütten wirkten ziemlich verloren, in der Wüste aus Asphalt und Beton. Es gab verschiedene Stände, die alles mögliche feil boten, ohne was man die "stade Zeit" wohl selbst in Amerika nicht begehen kann. Ja es gab selbst ein Zelt indem man Nussknacker, Krippen und allerlei andere Handwerkskunst aus dem Erzgebirge kaufen konnte. Wir fanden sogar einen Nussknacker im Boy Scout Design. 

Das einzige was ich eigentlich an Weihnachtsmärkten mag sind gebrannte Mandeln oder zumindest der Geruch. Das ist für mich mehr Weihnachten als, all das Glühwein Gesaufe, der ist mir zu süß. Ich freute mich also sehr als ich einen Stand fand an dem es "roasted allmonds" gab. Für 5 Dollar, für eine kleine Tüte. 5 Dollar ist ziemlich viel für einen "armen" Freiwilligen. Also beschwerte ich mich auf Deutsch bei den anderen wie teuer diese bescheuerten gebrannten Mandeln doch sind. Typisch Deutsches Verhalten eben. Ich war schon ziemlich verstört als ich auf einmal in astreinem fränkisch von dem Verkäufer beschimpft wurde. Ich glaube der wartete nur drauf, dass irgendjemand blöd genug sich über die Preise aufzuregen. Er legte richtig los:"Die blöden Deutschen beschweren sich immer nur, kaufen nie was", "Am bescheuertsten san die blöden au pair Weiba, die kommen immer in Gruppen", " Wisst ihr was ich für ein Risiko auf mich nehm, da auf Amerika zu fahrn?", "Die Amerikaner sind ja auch blöd, die Bayern sowieso". Ahhh dieses Gefühl von Heimat, wie habe ich es doch nicht vermisst. Eingeschüchtert, wie ich war kaufte ich mit der Lilly dann doch ein paar gebrannte Mandeln, die wirklich gut waren. Auch wenn sie schon ein ziemliches Geschmäckle hatten. Wie sich herausstellte stammte der nette Verkäufer aus Schweinfurt, er kannte sogar Marktredwitz, weil er dort für das Wiesenfest schon als Aussteller war. Näher war ich Deutschland in diesem Jahr wohl noch nicht und wahrscheinlich sollte ich da auch ganz froh drüber sein. 

Am Abend schauten wir dann noch einen Film "Traces Of The Trade", eine Dokumentation über eine reiche, weiße Familie in den USA, die alle Vorzüge einer eben solcher Familie besitzt. Fast alle waren entweder in Harvard oder Yale oder ähnlichem. Im Film ging es vor allem darum wie die Familie mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzte, denn ihre Vorfahren die DeWolfs waren so ziemlich die erfolgreichsten und reichsten Sklavenhändler in den USA. Ihre privilegierte, Position verdanken sie zum Großteil ihrer Herkunft. Es war ganz, interessant gerade im Kontext unseres Seminars, eine andere Perspektive auf die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte zu sehen. 

Chamounix und tiefsinnige Gespräche über lebendige Tiere in Kochtöpfen...
Samstag war Familienzeit. Im übertragenem Sinne zumindest. Wir alle präsentierten unsere Recherche Ergebnisse über unser Familiengeschichte, in Kleingruppen, dann in größeren Gruppen. Ich muss wohl noch so einiges an Recherche oder besser gesagt will, ich habe zwar von meinem Vater schon einiges an Informationen  bekommen. Aber man weiß ja nie was sich da in all den Jahren als Familienmythos etabliert hat. Deswegen habe ich zumindest Mal verschiedene Anfragen an die Datenbanken des Roten Kreuzes und die WASt gestellt. Ich bin Mal gespannt was dabei noch rumkommt. Das ist doch ein Thema das mich wirklich fasziniert, vielleicht gerade auch weil ich meine beiden Opas nie persönlich kennengelernt habe.

Danach gabs weiteren Spaß mit Morgan, den wir ja schon den vorher kennenlernen durften. Ich war noch nie ein großer Fan von "crazy" Methoden und werde es wohl in diesem Leben auch nicht mehr werden. Aber die Theaterpädagogik mit Morgan am Morgen hat mir dann doch richtig Spaß gemacht. Obwohl ich normal echt nicht so ein Fan von so Artzi Fartzi Gedöns bin. Morgan lockerte alles so schön auf und war eine gelungene Abwechslung zum normalen ASF Programm.

Für die Präsentationen am Abend war dann wieder unser kreatives Genie gefragt, in was das wieder ausartete werde ich irgendwann anders Mal schreiben wenn ich das Video, das Produkt unser abgedrehten Phantasie mit hochladen kann (Also, Lars!) Ja, zumindest kamen wieder Gäste und wir präsentierten artig  die Ergebnisse unseres Stadtspiels.

Bescherung!
Unser Seminar fiel ja pas­sen­der­wei­se auf den 6. Dezember und was macht man normal am 6. Dezember? Genau man begeht brav den Nikolaustag und huldigt dem "Kinderbischof", Nikolaus von Myra. Auf dem letzten Seminar kam der Richard auf die Idee das es doch ziemlich lustig würde wenn wir auch einen Nikolaus auf dem Seminar hätten. Für skurrile Verkleidungen bin ich ja sowieso immer zu haben. Die Locken mit denen ich doch gesegnet bin passen auch relativ gut zum Klischee Bild eines Nikolaus, wobei es sich bei uns doch eher um den netten Coca Cola Onkel Santa handelte. Alles begann eher so als Gag. ich verlangte wenn ich schon den Nikolaus mach brauchen wir ja auch einen Weihnachtself. Jedenfalls organisierte der Richard wirklich alle Kostüme und wir fanden sogar noch einen Weihnachtsbären auf unserem Weg von Alaska nach Philly. Ihr müsst wissen der Weihnachtsbär hat Hier in den USA eine weitaus größere Tradition und vor allem Anhängerschaft als unser läppischer europäischer Nikolaus.

Die Freude war groß. Als auf einmal ein Nikolaus in kurzen Hosen, seinem persönlichem Lustelf und dem Weihnachtsbär eintraten. Vor dem Seminar hatten wir ausgemacht uns gegenseitig zu "Wichteln", etwas das seit meiner Schulzeit nie so eine gute Idee war, wie es sich anfänglich anhört. Dank dem "Wichteln" hatten wir, mein sächsischer Hilfself, der Weihnachtsbär und ich auch was zum bescheren. Die Bescherung war richtig lustig, auch wenn ich mit meiner Performance nicht so ganz zufrieden war, auf Englisch ist es eben doch schwerer einen barmherzigen Bischof zu geben. Es war doch eher Coca Cola als Myra. Jeder musste bevor er sein Geschenk erhielt entweder ein Gedicht, Lied vortragen wenn nicht musste man einen Strafkeks essen, die der Weihnachtsbär mitgebracht hatte und wie wahrlich ekelig schmecken. Es war auf jeden Fall ein toller Abend zusammen mit den anderen Freiwilligen, mal keine schwerwiegenden Themen, keine Diskussionen, einfach nur schönes, lockeres Beisammensein.

Würden sie diesem Nikolaus ihre Kinder anvertrauen?
Wie entstand dieses Bild?
Nikolausi, Weihnachtsbär, Weihnachtself und ein verzweifelter Länderbeauftragter
Hauptsache man sieht Lukas Gesicht nicht
"Dirty" midwest crew
Frohe Weihnachten wünschen die Freiwilligen ihres Vertrauens
Eigentlich sollte unser Seminar jetzt schon vorbei gewesen sein. Doch wir hatten die Rechnung ohne den Schnee gemacht der am Sonntag auf Philadelphia hereinbrach.

Nürnberg in Philadelphia?
In Philly war das Wetter eigentlich, trotz einigem Schnee gar nicht so schlimm es sah eher aus wie ein kleines Winterwunderland. Aber in Texas und den südlicheren Staaten muss es ganz schön schlimm heruntergekommen sein. Es war dann am Ende so, das nach der Reflektionsrunde und dem damit eigentlichem Ende des Seminars, alle mit entweder dem Bus oder dem Flugzeug zurück in "ihre" Stadt [Vor allem die New Yorker ;)] reisen sollten. Als erstes erwischte es Lilly deren Flug nach "Cinncinasty"gecancelt wurde. Im Endeffekt hatten nur die New Yorker Freiwilligen "Glück" oder Pech und erschwischten die letzten Busse, die Philly verließen bevor die Highways geschlossen wurden. Was darauf folgte war ein Schwebezustand zwischen Warten, Verschieben bis dann endlich alle Flüge gecancelt waren und wir uns alle darauf einrichten konnten eine weitere Nacht in Chamounix verbringen zu können. Es war wahrscheinlich der entspannteste Tag, für mich seit Langem. Kein Programm, höchstens etwas Schnee schippen, was uns vier kostenlose Betten brachte!
Abends dann Star Wars kucken, es gibt schlimmeres. Alle konnten am nächsten Tag brav nach Hause reisen, nach diesem Ereignisreichem Seminar!

Schnee im Winter
Schnee schippen, ein eher praktisches Verständnis von Sühne
Zwar kein Weihnachtslied, aber dafür umso schöner und der Winter spielt ja auch eine Rolle.

Donnerstag, 12. Dezember 2013

"Hoho, hey, hey, hey shut down the SOA!"

Das Geburtstagskind!
Jetzt ist das auch schon wieder drei Wochen her oder sogar länger, ja ich glaube eine Woche vor Thanksgiving müsste es gewesen sein. Ich durfte Dank IRTF nach Columbus, Georgia, einem relativ kleinem Kaff der außer dem Militärstützpunkt, Fort Benning nicht wirklich viel beherbergt. Am Anfang dachte ich es geht nach Columbus, Ohio, aber da hatte ich mich wohl ein bisschen getäuscht. Georgia ist ja eigentlich auch besser, vor allem wärmer, das stellte ich mir zumindest so vor. Aber jetzt zum eigentlichen. Fort Benning ist eine Army Base, dort ist etwa das 75th Ranger Regiment stationiert, die 3. Infanteriedivision, außerdem stand William Calley dort für kurze Zeit unter Hausarrest, der Mann der für das Massaker von My Lai verantwortlich war, bis ihn  Richard Nixon lang vor Strafende begnadigte. Aber auch das "Western Hemisphere Institute for Security Cooperation" befindet sich dort. Bis 2000 hieß diese Institution  noch Schools of America oder kurz SOA. Nachdem es jedoch durch einen Kongressbeschluss im Jahr 2000 geschlossen wurde, brauchte man ja einen Namen für die Nachfolge Institution, die im Grunde dasselbe ist nur unter nicht mehr ganz so "griffigem" Namen und schließlich 2001 von Bill Clinton per Gesetz wieder eingerichtet wurde. So das war jetzt genug Geschichte. Jetzt zu den "hard facts"!

In der SOA werden vor allem Militärs/Parmilitärs auf amerikanischem Boden für den Einsatz in ihren Südamerikanischen Ländern ausgebildet und geschult. Das alles natürlich zum Erhalt und die Sicherung existierender Demokratien. Denn wir alle lieben Freiheit, hört sich zumindest auf dem Papier immer toll an. Fakt ist das die SOA vor allem existieren um den Einfluss der USA in Südamerika zu sichern. Zurück geht das natürlich alles auf den kalten Krieg als man versuchte den kommunistischen Einfluss in Südamerika einzudämmen. Jährlich durchlaufen etwa 1500 "Studenten" die Ausbildung an der SOA. Absolventen der SOA haben sich teilweise schwerer Menschenrechts Verletzungen schuldig gemacht und unterstützten autoritäre Regime in Südamerika bei der Unterdrückung breiter Bevölkerungsschichten. Diese Institution existiert immer noch, auch wenn mittlerweile Länder wie Venezuela, Uruguay, Argentinien und Bolivien keine Rekruten mehr an die SOA schicken.

Jährlich veranstaltet die Organisation "Schools Of America Watch" seit 1980 eine Demonstration vor den Toren Fort Bennings um an die Opfer der Absolventen der SOA zu erinnern und eine Schließung der Schools Of America zu erwirken. Auch IRTF ist Teil dieses Protests und organisierte zwei Buse um nach Georgia zu fahren um für die Schließung zu demonstrieren. Dankenswerterweise wurde ich gefragt ob ich auch mitkommen will und ich muss sagen es hat sich wirklich gelohnt. Es war eine sehr intensive an manchen Stellen fast schon spirituelle Erfahrung für mich und natürlich war es auch Lukas Geburtstag, den ich auch nicht verpassen wollte. 

Irgendwie ist es schwierig, das Erlebte jetzt so im Nachhinein richtig in Worte zu fassen, ohne wieder drei Seiten zu schreiben, die sowieso kaum jemand lesen würde. Manchmal fühlte man sich wie auf einem Festival, denn es gab Musik, Dixie Klos, verschiedene Stände (wobei es sich hierbei um Friedensorganisationen handelte und nicht um Camel oder Becks) und viele nette Leute. Am beeindruckendsten, war für mich wohl die Prozession am Sonntag, sozusagen das Herzstück der Demonstration. Es handelt sich hierbei um eine Art Marsch zu den Toren Fort Bennings, bei der die Namen aller vermutlichen Opfer der SOA verlesen werden und mit einem "Presente" in Erinnerung gerufen werden. Selbst wenn es etwa nur noch 2000 Leute waren, die daran teilnahmen (2005 waren es noch um die 16000). Es war ziemlich beeindruckend und in gewisser Weise auch schön. Schwer zu beschreiben halt, aber dafür gibt es ja Bilder. Als wir dann vor den Toren standen, umgeben von Leuten, wurde man richtig mitgerissen, fast schon angesteckt, von der "Energie"?! Eigentlich wollten wir ja nur sehen, ob jemand über den Zaun klettert um dann dafür für eine bestimmte Zeit, die ich leider vergessen habe, ins Gefängnis zu gehen...









Die gesamte Gruppe
Selbst für einen zynischen Spötter, wie ich es doch manchmal bin, war es sehr berührend. Am Anfang dachte ich mir: "Da sind bestimmt nur irgendwelche hängengebliebenen pseudo-Hippies, die für etwas utopisches demonstrieren" und ja es gab genug Hippies. Aber es war auch sehr berührend an all die Opfer der SOA Absolventen zu erinnern. Die Schools Of Americas sind immer noch geöffnet, es hat sich natürlich nichts geändert, aber zumindest für den Moment während der Prozession fühlte es sich so an als könne man wirklich was ändern, als ob es wichtig wäre hier zu sein. Wie gesagt schwer zu beschreiben. Zumindest ist es meiner Meinung nach wichtig der Opfer zu Gedenken und zu Erinnern, dass es dich Schools Of Americas immer noch gibt, dass nicht-amerikanische Soldaten auf amerikanischem Boden ausgebildet werden um amerikanische Interessen auf fremden Boden zu verteidigen. Ich habe auch vorher schon darüber gelesen beispielsweise in der TAZ, aber es hat mich nie mehr oder weniger interessiert als jeder andere Artikel über das Leid und die Ungerechtigkeit  in der Welt, die man doch allzu oft leichtfertig konsumiert, ohne in irgendeiner Form sich länger damit zu beschäftigen. Das regt zum Denken an.

Vielen Dank IRTF, das ich mitkommen durfte, es war wirklich ein Erlebnis das ich nicht vermissen möchte!


Mittwoch, 11. Dezember 2013

Sinnes- und Identitätskrisen eines ASFlers ?!


"Mit unseren Händen etwas Gutes tun" aus dem Gründungsaufruf von Aktion Sühnezeichen








Thanksgiving ist vorbei, nach dem rauschenden Fest kommt die Ernüchterung oder vielleicht sogar die Depression. (Dieser Eintrag entstand noch weit vor dem Seminar in Philadelphia ich war nur zu faul ihn zu editieren oder gar groß umzuschreiben)

Ich muss sagen seit einiger Zeit befinde ich mich ein bisschen in der Identitätskrise. Nicht
genealogischer Natur, obwohl das in den USA natürlich auch gut vorstellbar wäre. Schließlich kann dir hier fast jeder sagen zu wie viel Prozent er welcher Abstammung ist. Auf das Hundertstel genau. Ist das nicht erstaunlich? Also 40% irisch, 20% deutsch, 20% walisisch und 20% native American. Ja, das ist hier möglich?! Manchmal geht es sogar noch genauer. Ich frage mich warum bei all dem Patriotismus nicht einfach mal jemand sagt ich bin Amerikaner? Wie verhält es sich im Ausland, sagt man da auch die genau prozentuale Aufteilung seiner Abstammung auf oder schlichtweg man ist Amerikaner? Wir hatten neulich eine recht intensive Diskussion darüber bei uns im Haus, die mich wieder darauf gestoßen hat.

 Das ist natürlich ein reines "Luxusproblem" das man als weißer Amerikaner hat. Doch wie verhält es sich für die Afroamerikaner, deren Vorfahren auf Sklavenschiffen in dieses gelobte Land zu kommen und dabei all ihrer Kultur beraubt wurden? Oder wie fühlen sich erst die mexikanischen Einwanderer, als Mexikaner in den USA oder als Amerikaner? Das sind Fragen für die ich eindeutig nicht qualifiziert bin, vielleicht werde ich mich irgendwann später wenn ich das Gefühl hab mehr zu verstehen wieder darauf zurückkommen. Immer mehr Zerrissenheit, die sich offenbart und die mich an diesem Land so fasziniert.

Aber dies ist ja mein Blog. Ein Blog ist grundsätzlich immer egoistisch schließlich berichtet man ja über sich selbst, wie in meinem Fall, über seine eigene Meinung, oder zumindest aus der eigenen Perspektive über etwas. Nachdem meine Identität als Deutscher oder nicht Deutscher auf dem Vorbereitungseminar mehrfach erschüttert und neu definiert wurde. Nein ich bin nicht stolz auf Deutschland, ich brauch das allerdings auch nicht jedem immer ins Gesicht drücken. Doch je mehr Zeit ich in den USA verbringe und meine Erfahrungen in beiden Ländern Abwege, komme ich immer mehr zu dem Schluss das Deutschland als Staat so viel nicht falsch macht. Dinge die ich in Deutschland als gegeben akzeptiert habe, die hier in den USA nicht in der Form existieren machen doch den Unterschied. Dabei muss man nicht mal zum Thema "Obamacare" oder Krankenversicherung kommen. Man kann auch bei offensichtlicheren Sachen bleiben. Ja ich bin froh über das Sozialsystem das wir in Deutschland haben, wenn ich es mit den USA vergleiche, wo das viel mehr ein Job der Kirchen als des Staates zu sein scheint. Ich meine das soziale Sicherungsnetz ist viel engmaschiger in den USA als in Deutschland auch wenn ich das nie am eigenen Leib erfahren musste. Macht mich das jetzt stolz auf Deutschland? Auf dem Auswahlseminar gab es immer wieder Leute, die auf die Frage ob sich sich als "Deutscher" fühlen mit nein geantwortet haben. Sie fühlen sich als Europäer. Ich weiß es nicht, ist das überhaupt wichtig?

Rodins, "Der Denker" neu interpretiert
Jetzt aber zu meiner richtigen Identitätskrise, meiner zweiten jetzt schon innerhalb der letzten Wochen. Es geht um mein Projekt, meine Arbeit bei Earth Day Coalition und vor allem ob die Frage: "Ist das überhaupt ein ASF Projekt in dem ich arbeite?" Diese Frage stellt sich bei weitem nicht nur mir, nein sondern auch wenn ich Leuten hier in den USA über die Arbeit von Aktion Sühnezeichen, deren Bedeutung und meine Beweggründe für einen Freiwilligendienst erkläre, stellen sie mir oft die Frage was denn dann meine Arbeit mit Aktion Sühnezeichen zu tun habe? Die Antwort ich weiß es manchmal selbst nicht genau!

Ich arbeite für Earth Day Coalition eine Umweltorganisation, die vor allem in Cleveland tätig ist. Earth Day macht viel tolles Zeug, wie Aufklärung in umweltpolitischen Fragen, Community Work und natürlich Earth Fest. Aber halt auch Sachen wie das "Clean Transportation" Programm, das vor allem reichen Leuten dabei helfen soll sich vielleicht doch einen Prius, statt einen gigantischen Truck zu kaufen. Mein Problem dabei ist das ich manchmal nicht wirklich weiß inwiefern denn meine Arbeit den eigentlichen Zielen von ASF zuträglich ist. Das ist ja nicht Mal ein grundsätzliches Problem sondern eher ein persönliches. Denn ich sehe ich meiner Arbeit durchaus einen Sinn und sie macht mir meistens auch ziemlich viel Spaß. Ich habe wohl in diesen letzten drei Monaten mehr gelernt, als ich in meinem letzten Jahr Schule "gelernt" habe. Aber darum soll es ja nicht gehen, also nicht allein, ASF soll ja auch davon profitieren. Vielleicht stört es mich auch nur weil ich mich so gut mit den Zielen und Leitsätzen von ASF identifizieren kann. Ich weiß es nicht.

Beworben habe ich mich vor allem, weil mich die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit interessiert, Geschichte mich unglaublich fasziniert, ich etwas für mich sinnvolles nach dem Abitur machen wollte, mich doch als politisch interessiert bezeichnen würde und vor allem weil meine liebe Mutter doch genug Druck machte die Bewerbung abzuschicken, vielen Dank an dieser Stelle nochmal dafür. Jetzt leiste ich meinen Friedensdienst bei einer Umweltorganisation. Vielleicht war ich irgendwie auch zu naiv. Überschätzte meine Fähigkeit im sühnen?! Manchmal würde ich nur gerne konkreter für eben die Ziele von ASF eintreten. Manchmal wünschte ich mir Earth Day wäre politischer. Würde zu Themen wie etwa fracking besser Position beziehen. Manchmal unterschätzt man eben einfach die Mühen der Ebene. Das Funraising, die shitwork, die databases und die Bedeutung von "Sühne".

Ich bin einmal sehr gespannt in welche Richtung sich ASF entwickeln wird, wenn es keine Holocaust Überlebenden zu betreuen gibt, oder diese eher zu reinen Pflegefällen werden, sodass die Betreuung durch Freiwillige nicht mehr möglich ist, weil diese einfach nicht qualifiziert genug sind. Also ASF in den nächsten 5-10 Jahren. Wie werden sich Projekte ändern? Oder wie ändert sich gar die ganze Ausrichtung? Man muss auf jeden Fall einen Weg finden sich nicht zu "beliebig" zu machen. Ich freue mich jedenfalls auf die weiteren Monate, die ich in den USA verbringen darf. Man darf ja auch nicht vergessen, dass ich der erste Freiwillige in meinem Projekt bin, also sind Arbeitsabläufe noch nicht so festgelegt wie in Projekten die schon 10 Jahre laufen. Genauso wissen die Leute bei Earth Day aber auch nicht was sie mir zutrauen können oder wollen. Was manchmal dazu führt das ich mehr Daten in databases eintrage als für mein eigentliches Projekt NatureHood zu arbeiten.

Wow das liest sich jetzt im Nachhinein viel "motziger" als es sich eigentlich anhören sollte. Ich bin ja eigentlich richtig froh in Cleveland zu sein. Auch wenn ich beim Auswahlseminar nicht Mal wirklich in die USA wollte, sondern lieber nach Tschechien oder in die Niederlande. Jetzt bin ich doch froh nach Cleveland gekommen zu sein, einfach weil ich dort das Gefühl habe die USA "richtig" zu erleben. Nicht als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der "Bruce Springsteen Cadiallac" Romantik indem Träume wahr werden wenn man "nur" hart genug arbeitet. Sondern viel mehr das Amerika indem arm und reich weit mehr trennt als das Geld. Indem deine Hautfarbe, die Gegend in der du aufwächst, die High School auf die du gehst, dein weiteres Leben bestimmen. Ein Land das so zerrissen wirkt, dass es für mich manchmal doch erstaunlich ist das es "funktioniert" und sich doch immer noch dazu berufen fühlt andere Länder von den eigenen Idealen zu überzeugen.



In den nächsten Tagen werde ich jetzt endlich Mal was über den SOA Trip schreiben wenn ich dazukomme und über unser schönes Seminar in Philadelphia, indem es ja auch um Identitäten, Familiengeschichte und unser Empfinden ging.