Mittwoch, 11. Dezember 2013

Sinnes- und Identitätskrisen eines ASFlers ?!


"Mit unseren Händen etwas Gutes tun" aus dem Gründungsaufruf von Aktion Sühnezeichen








Thanksgiving ist vorbei, nach dem rauschenden Fest kommt die Ernüchterung oder vielleicht sogar die Depression. (Dieser Eintrag entstand noch weit vor dem Seminar in Philadelphia ich war nur zu faul ihn zu editieren oder gar groß umzuschreiben)

Ich muss sagen seit einiger Zeit befinde ich mich ein bisschen in der Identitätskrise. Nicht
genealogischer Natur, obwohl das in den USA natürlich auch gut vorstellbar wäre. Schließlich kann dir hier fast jeder sagen zu wie viel Prozent er welcher Abstammung ist. Auf das Hundertstel genau. Ist das nicht erstaunlich? Also 40% irisch, 20% deutsch, 20% walisisch und 20% native American. Ja, das ist hier möglich?! Manchmal geht es sogar noch genauer. Ich frage mich warum bei all dem Patriotismus nicht einfach mal jemand sagt ich bin Amerikaner? Wie verhält es sich im Ausland, sagt man da auch die genau prozentuale Aufteilung seiner Abstammung auf oder schlichtweg man ist Amerikaner? Wir hatten neulich eine recht intensive Diskussion darüber bei uns im Haus, die mich wieder darauf gestoßen hat.

 Das ist natürlich ein reines "Luxusproblem" das man als weißer Amerikaner hat. Doch wie verhält es sich für die Afroamerikaner, deren Vorfahren auf Sklavenschiffen in dieses gelobte Land zu kommen und dabei all ihrer Kultur beraubt wurden? Oder wie fühlen sich erst die mexikanischen Einwanderer, als Mexikaner in den USA oder als Amerikaner? Das sind Fragen für die ich eindeutig nicht qualifiziert bin, vielleicht werde ich mich irgendwann später wenn ich das Gefühl hab mehr zu verstehen wieder darauf zurückkommen. Immer mehr Zerrissenheit, die sich offenbart und die mich an diesem Land so fasziniert.

Aber dies ist ja mein Blog. Ein Blog ist grundsätzlich immer egoistisch schließlich berichtet man ja über sich selbst, wie in meinem Fall, über seine eigene Meinung, oder zumindest aus der eigenen Perspektive über etwas. Nachdem meine Identität als Deutscher oder nicht Deutscher auf dem Vorbereitungseminar mehrfach erschüttert und neu definiert wurde. Nein ich bin nicht stolz auf Deutschland, ich brauch das allerdings auch nicht jedem immer ins Gesicht drücken. Doch je mehr Zeit ich in den USA verbringe und meine Erfahrungen in beiden Ländern Abwege, komme ich immer mehr zu dem Schluss das Deutschland als Staat so viel nicht falsch macht. Dinge die ich in Deutschland als gegeben akzeptiert habe, die hier in den USA nicht in der Form existieren machen doch den Unterschied. Dabei muss man nicht mal zum Thema "Obamacare" oder Krankenversicherung kommen. Man kann auch bei offensichtlicheren Sachen bleiben. Ja ich bin froh über das Sozialsystem das wir in Deutschland haben, wenn ich es mit den USA vergleiche, wo das viel mehr ein Job der Kirchen als des Staates zu sein scheint. Ich meine das soziale Sicherungsnetz ist viel engmaschiger in den USA als in Deutschland auch wenn ich das nie am eigenen Leib erfahren musste. Macht mich das jetzt stolz auf Deutschland? Auf dem Auswahlseminar gab es immer wieder Leute, die auf die Frage ob sich sich als "Deutscher" fühlen mit nein geantwortet haben. Sie fühlen sich als Europäer. Ich weiß es nicht, ist das überhaupt wichtig?

Rodins, "Der Denker" neu interpretiert
Jetzt aber zu meiner richtigen Identitätskrise, meiner zweiten jetzt schon innerhalb der letzten Wochen. Es geht um mein Projekt, meine Arbeit bei Earth Day Coalition und vor allem ob die Frage: "Ist das überhaupt ein ASF Projekt in dem ich arbeite?" Diese Frage stellt sich bei weitem nicht nur mir, nein sondern auch wenn ich Leuten hier in den USA über die Arbeit von Aktion Sühnezeichen, deren Bedeutung und meine Beweggründe für einen Freiwilligendienst erkläre, stellen sie mir oft die Frage was denn dann meine Arbeit mit Aktion Sühnezeichen zu tun habe? Die Antwort ich weiß es manchmal selbst nicht genau!

Ich arbeite für Earth Day Coalition eine Umweltorganisation, die vor allem in Cleveland tätig ist. Earth Day macht viel tolles Zeug, wie Aufklärung in umweltpolitischen Fragen, Community Work und natürlich Earth Fest. Aber halt auch Sachen wie das "Clean Transportation" Programm, das vor allem reichen Leuten dabei helfen soll sich vielleicht doch einen Prius, statt einen gigantischen Truck zu kaufen. Mein Problem dabei ist das ich manchmal nicht wirklich weiß inwiefern denn meine Arbeit den eigentlichen Zielen von ASF zuträglich ist. Das ist ja nicht Mal ein grundsätzliches Problem sondern eher ein persönliches. Denn ich sehe ich meiner Arbeit durchaus einen Sinn und sie macht mir meistens auch ziemlich viel Spaß. Ich habe wohl in diesen letzten drei Monaten mehr gelernt, als ich in meinem letzten Jahr Schule "gelernt" habe. Aber darum soll es ja nicht gehen, also nicht allein, ASF soll ja auch davon profitieren. Vielleicht stört es mich auch nur weil ich mich so gut mit den Zielen und Leitsätzen von ASF identifizieren kann. Ich weiß es nicht.

Beworben habe ich mich vor allem, weil mich die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit interessiert, Geschichte mich unglaublich fasziniert, ich etwas für mich sinnvolles nach dem Abitur machen wollte, mich doch als politisch interessiert bezeichnen würde und vor allem weil meine liebe Mutter doch genug Druck machte die Bewerbung abzuschicken, vielen Dank an dieser Stelle nochmal dafür. Jetzt leiste ich meinen Friedensdienst bei einer Umweltorganisation. Vielleicht war ich irgendwie auch zu naiv. Überschätzte meine Fähigkeit im sühnen?! Manchmal würde ich nur gerne konkreter für eben die Ziele von ASF eintreten. Manchmal wünschte ich mir Earth Day wäre politischer. Würde zu Themen wie etwa fracking besser Position beziehen. Manchmal unterschätzt man eben einfach die Mühen der Ebene. Das Funraising, die shitwork, die databases und die Bedeutung von "Sühne".

Ich bin einmal sehr gespannt in welche Richtung sich ASF entwickeln wird, wenn es keine Holocaust Überlebenden zu betreuen gibt, oder diese eher zu reinen Pflegefällen werden, sodass die Betreuung durch Freiwillige nicht mehr möglich ist, weil diese einfach nicht qualifiziert genug sind. Also ASF in den nächsten 5-10 Jahren. Wie werden sich Projekte ändern? Oder wie ändert sich gar die ganze Ausrichtung? Man muss auf jeden Fall einen Weg finden sich nicht zu "beliebig" zu machen. Ich freue mich jedenfalls auf die weiteren Monate, die ich in den USA verbringen darf. Man darf ja auch nicht vergessen, dass ich der erste Freiwillige in meinem Projekt bin, also sind Arbeitsabläufe noch nicht so festgelegt wie in Projekten die schon 10 Jahre laufen. Genauso wissen die Leute bei Earth Day aber auch nicht was sie mir zutrauen können oder wollen. Was manchmal dazu führt das ich mehr Daten in databases eintrage als für mein eigentliches Projekt NatureHood zu arbeiten.

Wow das liest sich jetzt im Nachhinein viel "motziger" als es sich eigentlich anhören sollte. Ich bin ja eigentlich richtig froh in Cleveland zu sein. Auch wenn ich beim Auswahlseminar nicht Mal wirklich in die USA wollte, sondern lieber nach Tschechien oder in die Niederlande. Jetzt bin ich doch froh nach Cleveland gekommen zu sein, einfach weil ich dort das Gefühl habe die USA "richtig" zu erleben. Nicht als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der "Bruce Springsteen Cadiallac" Romantik indem Träume wahr werden wenn man "nur" hart genug arbeitet. Sondern viel mehr das Amerika indem arm und reich weit mehr trennt als das Geld. Indem deine Hautfarbe, die Gegend in der du aufwächst, die High School auf die du gehst, dein weiteres Leben bestimmen. Ein Land das so zerrissen wirkt, dass es für mich manchmal doch erstaunlich ist das es "funktioniert" und sich doch immer noch dazu berufen fühlt andere Länder von den eigenen Idealen zu überzeugen.



In den nächsten Tagen werde ich jetzt endlich Mal was über den SOA Trip schreiben wenn ich dazukomme und über unser schönes Seminar in Philadelphia, indem es ja auch um Identitäten, Familiengeschichte und unser Empfinden ging.








Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen