Mittwoch, 27. November 2013

Lieblingsplatten für die Ewigkeit #3 "Kapitulation" - Tocotronic

"Kapitulation" erschienen am 6. Juli 2007
Tocotronic, "Hamburger Schule" eine Band die seit Jahren Jugendlichen half all den Weltekel und die Frustration des Heranwachsens in herrlich rotzig-subversive Slogans zu verpacken. Da war das vor allem eines, die ausgesprochene Abscheu vor jeglicher Mittelmäßigkeit, die jedwede Existenz nun Mal einschließt.
Eine Rezension dieses Albums ohne jegliche aufgesetzte, in meinem Fall eher pseudo Intelligenz st wohl unmöglich. Weil ich selbst Heute noch das Gefühl habe, das ich zu dumm für dieses Album bin. Das ich Passagen nicht verstehe, oder falsch interpretiere, aber will große Kunst überhaupt verstanden oder interpretiert werden? Muss sie das? Die andere Sache die bei einer Kapitulation Rezension nicht fehlen darf, ist die richtige Prise Pathos. Hier geht es schließlich um "Ruin", "Kapitulation", Wehrlosigkeit und Verschwörungen gegen das eigene ich. Drunter macht es Tocotronic nach dem 1999 erschienen Album "K.O.O.K." wohl nicht mehr. Für manche wie meinen Paten mag das ein unsühnbarer Stilbruch sein, dass da nicht mehr 3 pickelige Studenten auf ihre Gitarren eindreschen, dabei nie mehr als vier bis fünf Akkorde und ein "Distortion" Pedal benutzen. Für mich war das wohl ein Glück, denn es brauchte erst das 2010 erschienene Album "Schall und Wahn" und das Spiegel Abo das ich von meiner Oma in diesem Jahr zum Geburtstag bekam um mich auf Tocotronic aufmerksam zu machen. Ausgerechnet im Medium des Bildungsbürgertums gegen das Tocotronic doch immer vorgab aufzubegehren.



Noch nie wurde ich in Musik so widerstandslos hineingezogen wie in die von "Kapitulation". Sei es entweder dem stumpfen Beat verschuldet, der mantrahaften sich wiederholenden Struktur oder es lag am Triumph von Zerbrechlichkeit und Unvernunft, an der Hysterie und der gefeierten Selbstaufgabe: "Mein Ruin, das ist zunächst/ Etwas, das gewachsen ist/ Wie eine Welle, die mich trägt/ Und mich dann unter sich begräbt." Was für ein Text! Triumph im Scheitern? Die Schönheit des Scheiterns, der nächste logische Schritt auf die "Schönheit der Chance"? Ein Song der perfekt war wenn man Mal wieder von allem genug hatte. Vielleicht hinterließ "Kapitulation" deshalb so viel Eindruck bei mir? Weil ich es zu einer Zeit entdeckte, wo ich vermeintlich Probleme hatte. Auf den Ruin kommt natürlich logischerweise die selbstbestimmte, unweigerliche "Kapitulation". Ein Wort das ich zuvor immer nur im Zusammenhang mit militärischen Ereignissen wahrgenommen habe. Das Titelstück galoppiert gemächlich vor sich hin, während Dirk von Lotzow singt wie er es noch nie getan hat: fragil und leicht, begleitet die Gitarre in die Höhen und legt einem die Kapitulation so zuckersüß nahe, dass man nicht widerstehen kann. So schlecht kann das ja nicht sein mit dem "Fuck It all" muss eben manchmal sein.



Tocotronic sind wahrscheinlich die "deutscheste" Band der Welt, noch "deutscher" als die Südtiroler Freiwild und das obwohl sie das nie sein wollten, sich von Deutschland in Songs wie "Hier Leben, Nein Danke!" sogar distanzierten. Aber Tocotronic sind auch Textbesessene. Sie produzieren, die genialsten, verkopftesten, genausten, verschrobensten und durchdachtesten Texte- Stücke die auch ganz ohne Musik funktionieren nur durch den Klang und die Aneinanderreihung der Worte einen fast schon melodischen Charakter entwickeln. "Verschwör Dich Gegen Dich" ist wohl meine Lieblings Tocotronic Lied. Wie kann es das auch nicht sein mit Zeilen wie: "Verschwör Dich gegen Dich / die Gegner, sie ergeben sich / von selbst, denn du bist nachtumweht / unter dein Bett hat man ein Rosenblatt gelegt." Dazu eine unglaublich straighte, präzise Gitarre. "Kapitulation" ist ein Album voller Andeutungen, Posen und Zeichen. Realität und Identität werden angezweifelt. Dort, wo bei herkömmlichen Bands klare Vorstellungen stehen, blühen bei Tocotronic die Mehrdeutigkeiten erst richtig auf. So bin ich mir noch immer nicht sicher ob in dem wunderbar leichtem "Imitationen" die Rede von gut im Sinne von Besitz oder gut im Sinne einer Wertigkeit die Rede ist. „Dein Schön ist mein Schön, dein Schlimm ist mein ganz Schlimm“ ja es gibt sie doch die Umschreibungen für Liebe , die alles sagen ohne dabei kitschig zu wirken. "Harmonie Ist Eine Strategie" kommt dann beinahe daher wie ein Gedicht aus der Romantik, da ist die Rede von Sphinxen,  Elstern und den Toren der Hölle. Getragen wird es aber von der monotonen fast schon prosaischen Stimme des Dirk von Lotzow.



Ich könnte wahrscheinlich ewig weiter schreiben und immer weiter ins Detail gehen, so fasziniert bin ich von diesem Stück Musik. Von diesem Geniestreich, der am Ende dann doch untergeht weil er eben muss: "Alles gehört dir eine Welt aus Papier/ alles explodiert kein Wille triumphiert" alles verglüht schließlich im Gitarrenlärm. Man kann das alles für pseudo intellektuelle Pose halten, für eine Inszenierung oder man kann sich darauf einlassen und das Glück in der "Kapitulation" finden. Vielleicht ist die freiwillige Aufgabe doch der größte Triumph? Denn "Kapitulation" ist die Voraussetzung für neue Größe zumindest für ambitionierte, Gitarrenbands.














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