Montag, 10. Februar 2014

Europa ist tot, lang lebe Libertatia! (und viel mehr)

3 kurze Reviews, zu drei sehr tollen Platten, die alle so zur ziemlich selben Zeit rauskamen, ziemlich unterschiedlich sind und es zumindest wert sind Mal reinzuhören. Leider hat es doch ein bisschen länger gedauert den Eintrag fertig zu schreiben, eigentlich sollte er am Freitag schon erschienen, aber Dank meiner Tätigkeit als cat und chickensitter, ist es nicht dazu gekommen. Naja wen schert das schon, wird sich eh kaum jemand durchlesen.

Ja, Panik - "Libertatia"

Erschienen am 31. Januar 2014
Als vor drei Jahren "DMD KIU LIDT" (Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit ) erschien, war ich hin und weg. Gerade der letzte Song "DMD KIU LIDT" in dem Sänger Andres Spechtel in dylanesker Bandbreite von 15 Minuten, zetert, verbittert alles anklagt, was ihn an dieser allzu bitteren Welt so stört. Nur um Am Ende zum Schluss zu kommen, dass es doch das die einzige Lösung in der Vernichtung des Systems liege, man solle doch ruhig die Bomben an Angela und Nicholas herantragen. Am Ende richtet er sein wahnwitziges Pamphlet gar gegen sich selbst:"Wie gesagt, es ist alles beim alten / nur, dass ich finde, es wär an der Zeit aufzuhören / das bisschen Klingbim, Lalala für gar so wichtig zu halten / Gilt es doch nach wie vor, eine Welt zu zerstören." und danach nichts! 5 Minuten Stille. Ein klassischer Cliffhanger. Das kann ganz schön was anrichten im unschuldigen Bewusstsein eines 15- Jährigen, der eigentlich soften Indie Rock erwartet hatte.

Wenn die Realität schon all zu beschissen ist, was bleibt dann noch außer die Flucht in die Utopie, die Flucht nach "Libertatia". Ja, Panik loten die Grenzen der Utopie, eines neuen Europas aus, tanzen auf der EZB und rufen letztendlich Libertatia als idealen Staat aus , "Wo wir sind ist immer Libertatia.
Worldwide befreit, von jeder nation.", eine Utopie der Freiheit"Fuck the EU" scheint ja zur Zeit ganz in zu sein. Das angenehme, an diesem Album, ist jedoch das man sich es komplett frei von irgendwelchen diskursiven, pseudo intellektuellen Interpretationsrastern anhören kann. Dies liegt vor allem am neuen Sound, der weitaus weniger Velvet Underground ist, viel poppiger, ja an manchen Stellen fast schon soulig. man könnte fast vermuten Falco ist von den Toten auferstanden und hat sich mit den Killers zusammengetan. Man kann sich also entweder einen intellektuell, auf das angehängte Manifest herunterholen, sich in Interpretationen vertiefen oder einfach die wunderbare Musik genießen die Ja, Panik hier abliefert. Wieder ein ganz starkes Album, das mich seit dem Erscheinen rauf und runter begleitet. Die Wut und der Zorn sind immer noch da, nur besser versteckt und verpackt hinter zuckersüßem Dämm-material. Am Ende sind es doch die Songs wie das großartige "Antanarivo", dass von der großen weiten Welt träumt, auf ein zweisames Leben hofft "just like Jean-Jacques Rousseau, aber trotzdem ein genialer Popsong bleibt, den man ohne Probleme 20 mal hintereinander hören kann. "Me and you and architecture" es könnte doch so einfach sein in "Libertatia". Ja, Panik bleibt mit "Libertatia" auf jeden Fall die Ausnahmeerscheinung in der deutschsprachigen Poplandschaft!



Marteria - "Zum Glück In Die Zukunft II"

Erschienen am 31. Januar 2014
Ich mochte die Musik Marterias eigentlich nie, zu sehr ging mir das "Lila Wolken" YOLO Dingens auf die Nerven, zu cheesy fand ich die Erfindung des alter Egos Marsimoto, einzig und allein "Sekundenschlaf" von "Zum Glück Die Zukunft" konnte gefallen. Vor zwei Monaten habe ich mir dann, wohl aus Langweile das ganze Album zu Gemüte geführt. Ich war ziemlich begeistert, von der klaren Sprache die Marten Laciny bisweilen findet. Während Casper sich in den großen Parolen und Pathos getränkten Aphorismen versucht und auf "Hinterland" eigentlich nur die Fortsetzung zu "XOXO" besungen hat. Während Prinz Pi die Wahrheit in den kleinen und klaren Geschichten sucht. Marteria, ist wohl längst am Ziel, hat "die Wahrheit" gefunden.
Was "Zum Glück Die Zukunft II" so auszeichnet ist die direkte, klare Sprache, die all diese kleinen persönlichen Geschichten erzählt.

Wie etwa in "Die Nacht Ist Mit Mir" auf dem er das Schicksal eines Trinkenden beschreibt, der sich doch um die Sinnlosigkeit seines Tuns bewusst ist aber trotzdem immer wieder an die Bar rennt. Eigentlich schon hundert Mal erzählt, aber wohl nie so eindringlich. Selbst das Feature von Stadion- "Punk Rock" Opa Campino, kann Zeile wie, "Jeder Schluck macht Glück, Glück, Glück" nicht zerstören. Aber nicht alles ist so deprimierend wie "Alt & Verstaubt", "John Tra Volta" oder die "Nacht Ist In Mir". So beschreibt er auf "Gleich Kommt Louis" die Vorfreude und die Ängste vor der Geburt seines Sohnes, Louis. Marteria ist eben auch nicht mehr Gangster, wenn er das denn je war, aber eben auch noch nicht Zahnarzt. All diese Songs sind so frei, frei all diese Einflüsse zu zulassen, aber dennoch schaffen sie es immer ein zentrales Thema zu transportieren. Wie auf "Kids" die immer weiter voranschreitende Flucht ins "spießige" Private (Gibt es denn eigentlich schon einen Begriff für das Biedermeiertum des 21. Jahrhunderts? Generation Facebook? Generation Holi Festival? Generation RedTube?) genial, ironisch angeprangert wird, wenn es heißt "Keiner macht mehr Malle, alle fahren nach Schweden / Jeder liebt die Bayern, vor'm Essen beten / Leben die kleinen Träume, verbrennen die großen Pläne". Herz des Albums ist wohl doch "Bengalische Tiger", das die Revolte in sich trägt und weit mehr Weitsicht beweist als sonstige 08/15 Popsongs. Ja das Reisen scheint ihm gut getan zu haben. "Welt Der Wunder" bringt es dann am Ende in doch eher kindlicher Einfachheit auf den Punkt, warum man doch seinen Frieden mit der Welt machen kann.  "Zum Glück Die Zukunft II" ist ein Album das man einfach lieben muss, aufgrund seiner Offenheit, Radikalität und schlichten Ehrlichkeit; eine schleichende, stille Evolution.


Augustines - "Augustines"

Erschienen am 7. Februar 2014
Die reduzierte Musik von The National trifft auf den bombastischen Stadionrock von U2, so zumindest war mein Eindruck nach dem ersten Hören, des zweiten Albums von We Are Augustines, halt stop nur noch Augustines. Ja die Band, die mir vor 2 Jahren mit dem Clip zu "Chapel Song" wohl das schönste Musikvideo der jüngeren Vergangenheit beschert hatte, hat sich umbenannt. Aus We Are Augustines wurden einfach nur Augustines. Der Name wird kürzer doch der Sound breiter. Ja vielleicht haben sich die Augustines jetzt endlich gefunden. Denn die Geschichte dieser Band ist durchaus keine einfache, die Aufnahmen zum Debüt waren vor allem geprägt durch mehrere familäre Katastrophen – sowohl die Mutter als auch der Bruder von Sänger Billy McCarthy brachten sich im Zuge ihrer Schizophrenie-Erkrankung um – das ging nicht ohne Spuren an der Band vorbei, auch einige personelle Änderungen kamen hinzu.

Das neue selbstbetitelte Album macht schnell klar, dass sich diese Band jetzt endlich gefunden hat. Gehen sie am Anfang mit "Cruel City" noch auf Nummer sicher, Chöre, viele Ohs und ein paar tropisch anmutende Rhythmen, man könnte fast meinen man hat sich das U2 zum Vorbild genommen. Doch Augustines danach zu verurteilen wäre vermessen. Das deutlich ruhigere, fast schon poppige "Weary Eyes" mit einer trotzigen, unaufgeregten Euphorie daherkommt "Comes straight into your bones / When winter comes, to wreck your heart / All that she lacks strength / Don’t mean anything / When you’re world is freezing and covered in ice / Weary eyes". Am Besten wird die Entwicklung wohl bei "Walkabout" deutlich, dass am Anfang nur vom Piano und Billy McCarthys Stimme getragen beginnt und sich mit der Stimme bis ins scheinbar unermessliche steigert - Gänsehaut. Passend zum Selbstfindungsthema des Songs, ist dieser gleichzeitig auch ein gute eine gute Parabel für die Findung des neuen Sounds der Augustines. Die Stimme des Sängers klingt, immer noch voller schwere und Leid, obwohl die Songs doch viel positiver sind, eine Stimme die wahrlich gelebt hat. Seinen Höhepunkt erreicht, dass Album dann mit dem wunderbar lebensbejahenden "Now You're Free". Da wird gefragt "What am I running from? Myself and everyone," erst wenn man das erkennt kann man wirklich frei sein. Auch wenn die Chöre manchmal ein bisschen zu viel werden, gibt es doch immer wieder diese kleinen ruhigen Momente, die die Musik von "We Are Augustines" immer auszeichnete, das ehrlich, direkte, der Optimismus, selbst in der größten Tragödie. Ja, Augustines sind endlich die Band die sie selbst sein wollen, zwischen The National und dem verstohlenen Schielen nach den ganz großen Bühnen, die sie wohl nie erreichen werden.

Man sieht sich dann in Cleveland, im Grog Shop.


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