Dienstag, 29. Oktober 2013

Reingehört: Arcade Fire - "Reflektor"

Wenn mich jemand fragen würde was denn die einflussreichste Band unserer Zeit ist dann hätte ich wohl drei Antworten. Also richtig einflussreich und wichtig im Sinne von das wird man in 40 Jahren noch hören können. Einflussreich wie etwa die Beatles, wobei ich keine der folgenden Bands mit den Beatles vergleichen möchte. Es gibt in etwa drei Bands denen ich diesen Status einräumen würde. Also Bands die von Album zu Album sich weiterentwickeln, immer in hoher Qualität "abliefern" und durchweg gute Kritiken bekommen.  Eine dieser Band wäre unbestritten Radiohead, warum das braucht man eigentlich nicht erklären, ich werde es wohl auch noch einmal in "Lieblingsplatten für die Ewigkeit" erläutern. Die andere Band wäre "The National", wobei das wohl am ehesten noch eine persönliche Präferenz wäre. Dann wäre da noch Arcade Fire. 

Eine kanadische Band, viel mehr ein Orchester, das seit ihrem Debüt "Funreal" einfach tolle Musik macht. Der Nachfolger, "Neon Bible" war dann wohl das Album das Bruce Springsteen immer machen wollte. Das Konzept Album "The Suburbs" ging dann zum Teil wieder ganz andere Wege, viel Synthie lastiger und an manchen Stellen angenehm reduziert. Kurz, ein Höllenritt durch die amerikanischen Suburbs und in denen Man aufwächst, das fahren lernt und hinter der perfekten Fassade ein ziemlich normales Leben führt. Bis man den Eltern endlich entflieht. "Reflektor" ist kein Album, "Reflektor" ist ein Event. Denn schon bereits im August wurden in mehrerern Großstädten Videos über die ominösen "Reflektors" an die Wände projiziert. Dies war der Beginn einer aufwendigen Marketing Kampagne an dessen Ende jetzt endlich das Album steht. Es gab wohl schon lange kein Album das einen ähnlichen Hype generierte, Schuld daran war auf der einen Seite David Bowie, der auf der ersten Single gleich einmal ein paar Gesangsparts beisteuerte und auf der anderen Seite war da noch James Murphy. James Murphy der Mitbegünder des legendären DFA Labels, bei der Bands wie The Rapture, Hot Chip und LCD Soundsystem unter Vertag stehen oder standen. Letztes Jahr löste James Murphy seine Band LCD Soundsystem auf, spielte ein letztes Konzert im Madiosn Square Garden und nun ja produziert jetzt Arcade Fire, da die beiden Bands schon seit Jahren sehr gut befreundet sind. Hier das wohl (leider) letzte Mal LCD Soundsystem live:


Die Frage ist nun wie sich das auf den Sound von Arcade Fire auswirken sollte, gehen die jetzt in die Disco? Machen tanzbaren Electro Punk?
Erschienen am 25. 10. 2013









Side A

1. "Reflektor"

Das erste Lebenszeichen, des neuen Albums und zugleich der Opener. Mehr Elektronische Beats, beinahe tanzbar, baut sich zur Mitte hin auf und nimmt dann doch eine ganz andere Wendung wenn die Gitarren in den hintergrund treten. Disco Beats, das Singen über das Sich Verlieren in der Wirklichkeit und Sinnestäuschungen, all das macht "Reflektor" wahnsinnig gut. Dann kommt irgendwann noch David Bowie dazu, was will man mehr? "Reflektor" geht mit der Zeit richtig in die Ohren. 

2. "We Exist"

Wow, also die Miachel Jackson Thriller-Gedächtnis Bassline zum Anfang schreckte mich erst Mal ab. Dazu gibt es Talking Heads Gitarren und am Ende sogar eine Kirchenorgel, für die Arcade Fire ja schon beinahe berühmt sein sollte. Groovt sich ganz schön ein. Wohl neben "Joan of Arc" einer der konventionellsten Songs des Albums

3."Flashbulb Eyes"

Hier wird der karibische Einfluss wohl am deutlichsten. Haiti hat doch ein bisschen Spuren hinterlassen, wie "Reflektor" absolut tanzbar, aber wohl immer noch Arcade Fire.

4. "Here Comes The Night Time"

Das erste was bei diesem Song auffällt ist wohl der, ich nenne es Mal "Inception" Bass also diese Dröhnen aus dem "Inception" Trailer. Wahnsinn wie verspielt alles vor sich hin spielt während Win Butler lakonisch singt: "They say heaven's a place / Yeah, heaven's a place and they know where it is/ But you know where it is? It's behind the gate, they won't let you in" zwischendrin, dann noch ein Monster mäßiges Krescendo. Aber wozu in den Himmel: „If there’s no music in heaven, then what’s it for?“. Mit der Zeit auch wieder ein furchtbarer Ohrwurm der sich in mein Ohr nistet. Gerade wegen der immer wieder angetäuschten Tempo Wechsel.

5. "Normal Person"

"Do you like Rock'n Roll Music?" frägt ein anscheinend leicht genervter Win Butler. Er anscheinend schon, denn die Gitarren heulen auf einmal ganz schön auf und man weiß warum Arcade Fire vom normal sein nichts wissen wollen. Wäre ja auch langweilig!

6. "You Already Know"

Nach einer Jahrmarkt ähnlichen Ansage "The Fantastic Arcade Fire" beginnt ein wunderschöner Pop Song a la  The Smiths.

7. "Joan Of Arc"

Ein wunderbarer Punk Anfang leitet eins meiner Highlights des Albums ein. Ein wunderbares Refrain lastiges, Stück Rockmusik, auch wenn es mit zu den konventionellsten des Albums zählt. Nur ein Kritikpunkt lasst bitte mal das ganze Französische Gesinge weg...

Side B


1. "Here Comes The Night Time II"

Eine Art Computersound deutet den Reboot an. Auf der zweiten Seite soll wohl so einiges anders werden. Die Streicher nehmen dann das Motiv aus dem ersten Song wieder auf und geleiten den Hörer wohlbehalten 
auf die andere Seite des Albums hinüber. 

2. "Awful Sound (Oh Eurydice)"

Furiose Percusion, ein schier anschwellendes Dröhnen, das alles sorgt manchmal für einen leicht awful sound. Wäre da nicht die zuckersüße Akustik Gitarre, die uns über alle Soundbarrieren hinweg hilft. Gegen Ende stimmt ein Chor ein und man erhält wohl den schönsten Wilco Song den Arcade Fire je schreiben wird. So unglaublich detailreich ist dieser Song an jeder Ecke brummelt irgendwas vor sich hin. Ein Song der ein bisschen wirkt alle Beatles Song in einem zu vereinen. 

3. "It’s never over (Oh Orpheus)"

Als ich diesen Song, das erste Mal hörte dachte ich: "Oh mein Gott die werden jetzt doch nicht wirklich 80er Jahre Disco Pop machen...) Doch gerade die leisen Momente, die herrlichen Zwischentöne machen diesen Song so großartig. Es sind nicht mehr die "normal persons" sondern gleich "Orpheys" der wohl tragischste Held, der gesamten Griechischen Mythologie, der darüber hinweg kommen soll Euridice nie mehr sehen zu können. 

4. "Porno"

Der wohl musikalisch ambitionierteste Song ist sogleich der textlich schwächste. Auch wenn die Musik echt unglaublich gut ist, all die Synthies sorgen dafür das man die manchmal leicht als Teenager Poesie anmutende Lyric vergisst. Der ganze Song hätte auch toll auf den Drive Soundtrack gepasst. Oder ist die angeblich seichte Lyrik: „Something’s wrong with me“, einfach nur ein Kommentar auf eine emotional verunsicherte Generation?

5. "Afterlife" 

Hätte es in "Porno" auch genauso gut um Teenager Problem gehen können, gehen sie jetzt aufs Ganze. "Afterlife, oh my god what an awful word" gibt es ein Leben vor dem Tod? "Afterlife" schafft es wohl am Besten den typischen Arcade Fire Sound mit dem "Reflektor" Sound zu verbinden. "It's just an afterlife with you"" mit diesem Song gerne. Ein Song der mich gleich am Anfang gekriegt hat, ein Beat der pulsiert und ein Saxophon das genauso gut aus einem astreinen 80er Pop Song gewesen sein könnte. Ob es Orpheus und Eurydike a, Ende hinbekommen mit dem "Afterlife"? Was für ein Wahnsinns Song!

7. "Supersymmetry" 

Wow was für ein Song, viel mehr wohl eine Reise. Sind wir hier in "Gravity" kein Schall, treiben wir durchs All? Immer wieder kommt ein neues Sound Fragment hinzu, nur um in der nächsten Sekunde auch shcon wieder davonzuschweben. Wins und Régines zurückgenommener Gesang wird langsam von Streichern abgelöst, alles schwillt kurz an um nach 11 Minuten endlich zu verstummen. Freischweben und experimentell so endet "Reflektor". Der  "2001- Odysee im Weltraum" Stil, die einen werden sich denken WTF ein Spacebaby, für andere ist es eine Verheißung

Was für ein Album! Arcade Fire hätte einfach versuchen können, den Sound ihrer vorherigen Alben zu reproduzieren und wären damit wahrscheinlich trotzdem erfolgreich gewesen. Doch sie wandten sich an einen komplett anderen Produzenten, der bisher eher für Elektronische Musik verantwortlich war. Man hätte das Album genauso gut auf eine CD pressen können, man hätte all die Soundspielereien, Fetzen und das ganze Gedöns weglassen können, man hätte sich nicht groß verändern brauchen, doch man hat es nicht. "Reflektor" ist bei weitem kein "einfaches" Album, es ist schwer einen Zugang zu finden, es ist ein Brocken, ein wahrliches Poputurri aus verschiedenen Sounds und Einflüssen. Doch am Ende haben sie uns etwas gegeben was sich heutzutage, trauriger weise komplett aus der Zeit gefallen anfühlt; Ein Event- ein Album das es wagt großartig zu sein und damit bemerkenswert erfolgreich ist!

Danke Arcade Fire, man sieht sich dieses Jahr hoffentlich einmal live. Denn wohl keine Band auf der Welt ist live wohl besser, wie dieses Video wohl belegt

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